Auf dem Weg vom Betreuten zum Betreuer
Die Aufgabe, den ganzen Raum im Auge zu behalten und gleichzeitig die Anwesenden persönlich anzusprechen und auf deren Bedürfnissen einzugehen, kennt Herr Z. seit seiner Anlehre bestens. Er arbeitete gerne im Service und schätzte den Kontakt mit den Menschen sehr. Dass diese Arbeit mit seiner Alkoholsucht nicht länger vereinbar war, wurde Herrn Z. nach seinem ersten Klinikaufenthalt klar. Herr Z. erfüllte seine Aufgaben immer gut, seine Sucht tangierte die Arbeit nur selten, aber eine nachhaltige Zukunft bot diese Tätigkeit nicht. Es war Zeit definitiv auszusteigen und sich neu zu orientieren. Es stellte sich heraus, dass Herr Z. durch eine traumatische Kindheit schulisch tief unter seinem Niveau abgeschlossen hat. Er zeigte ein schnelles Auffassungsvermögen und einen grossen Willen, die Vergangenheit ohne Alkohol zu bewältigen. Verschiedene Tests ergaben, dass er eigentlich auf Hochschulniveau funktionieren könnte und bestätigten die Affinität für soziale Arbeit. «Nach etwa fünf Monaten im Forelhaus Zürich konnte ich dank der Vermittlung des JobCoaches mit einem Vor‐Praktikum in einer sozialtherapeutischen Institution für hilfsbedürftige Menschen anfangen. Die Bewohner/innen hatten teilweise den gleichen Hintergrund wie ich, es fühlte sich trotzdem richtig für mich an. Die grösste Herausforderung dabei war, in der privaten Zeit selbst betreut zu werden und in der beruflichen Zeit Betreuer zu sein. Mit diesem Rollenwechsel hatte ich anfangs grosse Mühe, weshalb das Vor‐Praktikum trotz gutem Feedback nicht verlängert wurde. Mir zeigte es je‐ doch, wie wichtig die eigene Erfahrung für das Verständnis von hilfsbedürftigen Menschen ist.» Eine Anschlusslösung konnte schnell gefunden werden. Herr Z. stieg diesmal in einer Wohngruppe für Behinderte als Jahrespraktikant ein. Der Wechsel zwischen betreut werden und betreuen berei‐ tete ihm keine Schwierigkeiten mehr. Seine Vorgesetzte meinte dazu: «Herr Z. war im Team und bei den Bewohner/innen gut integriert, zeigte Eigeninitiative und vorsorgliches Denken und sprach offen über seine Vergangenheit. Er hat immer den ganzen Raum im Blick und reagiert gleichzeitig ange‐ messen und auf jede Person zugeschnitten.» Herr Z. erhielt noch vor Ablauf des Praktikums eine Festanstellung mit der Zusage, im Jahr 2017 eine Ausbildung beginnen zu können. Da Herr Z. keinen Lehrabschluss EFZ hat, ist er gezwungen, den gesamten Bildungsweg durchzugehen und zuerst eine Lehre Fachperson Betreuung zu absolvieren, um anschliessend an der Fachhoch‐ schule Sozialpädagogik zu studieren. «Nach 13 Monaten im Sozialtherapeutischen Wohnen und 14 Monaten im Begleiteten Wohnen bin ich nun bereit, mit meiner Freundin eine eigene Wohnung zu beziehen. Diese Entscheidung bringt mich einen Schritt weiter auf dem Weg vom Betreuten zum Betreuer. Der letzte Schritt erfolgt hof‐ fentlich in etwa zehn Jahre, wenn ich als ausgebildeter Sozialpädagoge arbeiten kann. Im Suchtbereich kann ich meine persönlichen und beruflichen Erfahrungen einsetzen; dann ist der Kreislauf wirklich vollbracht.»